Chancen der neuen Beschaffungsrichtlinien, Öko-Labels

Gastgeberin: Mag. Christian Ruzicka von der MA 63 (Fachbereich Vergaberecht), Christian Kornherr (VKI)

EU Richtlinie

Die Europäische Kommission hat die Richtlinien 2004/17/EG (Beschaffung im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste) und 2004/18/EG (Öffentliche Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge) überarbeitet und eine Richtlinie über Konzessionsverträge herausgegeben. Die Mitgliedstaaten müssen die neuen Regeln bis spätestens April 2016 in nationales Recht umsetzen, mehr dazu: http://ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/modernising_rules/reform_proposals/index_de.htm

Die neue Richtlinie gibt mehr Spielraum, umweltrelevante Aspekte zu berücksichtigen:  

  • In Leistungsbeschreibungen: NEU, dass umweltrelevante Aspekte in jeder Phase des Lebenszyklus zulässig sind –  von der Produktion bis zum Recycling. Wichtig: Der Bezug zum Produkt muss gegeben sein.
  • Mit Zuschlagskriterien: wie bisher nur der Preis – wobei die Kostenwirksamkeitsanalyse im Lebenszyklusberechnung mehr als nur den Anschaffungspreis berücksichtigen soll - oder bestes Preis Leistungsverhältnis.

Gütezeichen bzw. deren Kriterien dürfen laut EUGH in Ausschreibungen übernommen werden.

  • Ist ein Produkt mit einem Öko-Label zertifiziert, das den Beschaffungskriterien entspricht, ist ein rechtssicherer Nachweis gewährleistet.
  • Wenn das angebotene Produkt das Label nicht trägt, ist ein entsprechender Nachweis, dass die dazugehörigen Kriterien erfüllt werden, ebenfalls zu akzeptieren.

 Welche Möglichkeiten der Kontrolle gibt es?

  • Wenn z.B. ein Weltkonzern ein Umweltproblem hat? Wie kann man die Lieferkette nachvollziehen? Laut Richtlinie wäre das bis zum Anfang zulässig. Eine chinesische Fabrik muss nicht Europäische Standards einhalten. Die vergebende Stelle kann nicht alles kontrollieren, aber die Plausibilität von Angaben überprüfen.
  • Wie können Lebenszykluskosten ermittelt bzw. überprüft werden? Für Lebenszyklusberechnung gibt es keine allgemein gültigen Berechnungsmodelle, die vergebene Stelle muss selber eine Rechnung aufstellen. Für den Baubereich gibt es Berechnungsmodelle, z.B. EconCalc, siehe http://www.klimaaktiv.at/tools/bauen_sanieren/econcalc.html
  • Für kleine Gemeinden ist es schwieriger, Umweltaspekte zu verfolgen, sie können aber die Kriterien von ÖkoKauf Wien kopieren und vorhandene Datenbanken nutzen.

Die perfekte Ausschreibung gibt es nicht – Risiko bleibt!

Fragestellungen für weitere Arbeiten:

Wie kann man für die vergebenden Stellen einfach handhabbare Modelle zur Berücksichtigung umweltrelevanter Aspekte schaffen?

  • Gewünscht wird einheitliche und einfache Lebenskostenzyklusberechnung, Standardisierung eines Lebenszyklusmodells für die öffentliche Beschaffung
  • Könnten die zahlreichen und unterschiedlichen Gütesiegel zusammengefasst bzw. auf eine geringere Anzahl reduzieren werden? Besteht die Gefahr, dass durch die Forderung nach Labels die Vielfalt des Angebots zu sehr eingeschränkt wird bzw. dass Nachteile für KMUs entstehen?
  • Welche Rolle spielt CSR? Eine Zertifizierung bedeutet großen Aufwand, es gibt erst wenige CSR-Unternehmen.
  • eine „Labelbewertungsdatenbank“ wurde als mögliches Projekt diskutiert. 

Viele BeschafferInnen können die Aussgekraft unterschiedlicher Ökolables nicht bewerten . Zwei Lösungsmöglichkeiten wurden genannt (nach Priorität, bzw. beides)

  1. In den Ausschreibungskriterien ist genau defniert, welches Label für den Nachweis welcher Anforderung zulässig ist.
  2. Eine „Labelbewertungsdatenbank“ z.B. auf www.nachhaltigebeschaffung.at erlläutert die Labels wie z.B.:
    - für welche Produktgruppen gilt das Label
    - für welche Phasen des Lebenszyklus werden Anforderungen gestellt
    - wer vergibt das Labels
    - wie werden die Anforderungen des Labels entwickelt, wer ist daran beteiligt
    - wie oft werden die Anforderungen aktualisiert
    - wie wird die Einhaltung der Anfordeurngen zertifiziert/überprüft
    - etc.

Labelbewertungsdatenbanke, die sich an KonsumentInnen richten, gibt es im deutschen Sprachraum mehrere

  1. http://www.bewusstkaufen.at/guetezeichen.php  vom BMFLUW, inhaltlich gemacht von ÖGUT und tatwort

  2. www.label-online.de vom Bundesverband Verbraucherinitiative e.V.
    ist eine Mitgliedsorganisation mit Schwerpunkt ökologischer, gesundheitlicher und sozialer Verbraucherschutz
    gibt auch ganz neu eine App mit der du ein Label fotografierts und du erhälts die Bewertung auf deinen Smartphone

  3. www.labelinfo.ch wird von der Stiftung Praktischer Umweltschutz Schweiz Pusch. bietet derzeit Informationen zu 127 Gütesiegeln und 18 Deklarationen in deutscher und französischer Sprache.

Alle diese Labeldatenbanken treffen aber nicht die Aussagen, wie sie BeschafferInnen im Detail brauchen würden.

Nur ein Beispiel aus www.label-online.de
Bio Cotton http://label-online.de/label/bio-cotton/ wird als „besonders empfehlenswert“ eingestuft obwohl es nur
die Baumwolle betrifft und nicht die gesamt textile Kette, nur 20% der eingesetzten Baumwolle nach dem GOTS-Standard zertifiziert wird und zudem ein C&A Eigenlabel ist.

Zuletzt geändert: Montag, 24. November 2014, 22:51